Soziale Transparenz und technische Intransparenz
Ein Trend, der längst nicht mehr nur Trend, sondern erschreckende Realität geworden ist: soziale Transparenz, der gläserne Mensch. Soziale Netzwerke fördern zutage, dass wir immer durchsichtiger werden.
Wir teilen unser Privatleben mit sogenannten „Freunden“, mit denen wir außerhalb von facebook und Co. aber keinerlei Kontakt pflegen. Wir sammeln diese vermeintlichen „Freunde“ und zeigen ihnen bewusst Informationen über uns und unser Leben.Wieso eigentlich? Was bezwecken wir damit, anderen unser Leben offenzulegen? Wer hat eigentlich noch Geheimnisse?
Ist Privatsphäre nicht mehr zeitgemäß?
Die Globalisierung hat letztlich auch zu einer anderen Mentalität geführt. Wir definieren uns nicht mehr nur als Einzelnen, sondern sehen uns eher als Gemeinschaft. Wir sind untereinander vernetzt, haben dank des Internets immer und überall Zugang zu allen möglichen Informationen. Wir wollen wahrgenommen werden und nicht untergehen in der Masse. Der einfachste Weg: Selbstdarstellung über soziale Medien. Die Mitgliederzahlen der Social Media Plattformen sprechen für sich. Jüngst knackte Facebook die 1 Milliarde Grenze. Man möchte dazu gehören, Teil der Community sein, den Kontakt zueinander halten. Und gleichzeitig setzen sich viele dem Druck aus, individueller zu sein. Die einen definieren sich über eine besonders große Freundesliste, die anderen über ausgefallene Partyfotos, wieder andere über kreative Posts. Ziel ist die Anerkennung der anderer Nutzer. Viele Menschen zu kennen, scheint zum Ideal zu werden, wenngleich man die unzähligen Kontakte, die einem in den Freundeslisten entgegenspringen, meist außerhalb des Netzwerks gar nicht pflegt. Ein Post ist erst dann gut, wenn man möglichst viele Likes dafür bekommen hat. Wer eine Meinung hat, hat dank zahlreicher Netzwerke eine Bühne, um sie kundzutun.
Wo einem die Privatsphäre einst noch heilig war, wird heute fast jeder zu einer Person des öffentlichen Lebens. Wir haben immer stärker das Bedürfnis, unseren Mitmenschen zu zeigen, wie aufregend und abwechslungsreich unser Leben ist. Wir lassen andere an Privatem teilhaben, um uns darzustellen, unsere Interessen zu zeigen und uns selbst zu definieren. Aber laufen wir damit nicht auch Gefahr, uns selbst unter Druck zu setzen?
Soziale Transparenz statt Schutz der Privatsphäre
Gerade das gestiegene Gemeinschaftsgefühl im globalen Dorf macht es heutigen Generationen nicht leicht, sich gegeneinander durchzusetzen und voneinander abzuheben. Sie sind einem ständigen Druck ausgesetzt, einander präsentieren zu müssen, wer sie sind und was sie von anderen unterscheidet. Während sie sich sozial immer transparenter machen, wird das Internet als Austauschplattform immer undurchsichtiger. Gerade Facebook gerät immer wieder ins Visier der Kritiker, weil die Privatsphäre-Einstellungen für Nutzer intransparent sind. Über Veränderungen in den Einstellungen wird man meist nicht zu Genüge aufgeklärt und zudem verändern sie sich immer wieder – den Überblick zu behalten fällt schwer.
Während es eine der größten Leistungen unseres Gehirns ist, Dinge zu vergessen, merkt sich das digitale Gedächtnis „Internet“ alles. Egal, ob peinliche Fotos oder politische Meinungen, die wir einmal vertreten haben, das Internet vergisst nichts und weiß dank Cookies auch sehr genau, welche Websites wir wann besucht haben. Durch das digitale Zeitalter gelangen wir zum perfekten Erinnerungsvermögen, eine Distanzierung wird später schwierig. Im Gegensatz zu unserem Gedächtnis weiß das Internet aber nicht, welche Information nur peripher und welche besonders wichtig ist. Es entstehen schließlich verzerrte Nutzerprofile.
Gleichzeitig lassen sich aber über diverse Plattformen viele einzelne Datenpäckchen zu einem großen Gesamtbild zusammenfassen. Der gläserne Mensch.Wir hinterlassen unsere Spuren im Netz, können sie nicht mehr verwischen und sind transparent für jeden. Für viele kein Problem mehr: Während es vor einigen Jahren noch üblich war, unter Nicknames und Pseudonymen zu agieren, stehen inzwischen immer mehr Menschen zu ihrem richtigen Namen, geben ihn preis und sind damit noch leichter aufzufinden. Bis irgendwann der Wunsch nach mehr Privatsphäre aufkommt. Dann ist es meist schon zu spät. Wer im Internet unterwegs ist, sollte seine Daten mit Bedacht behandeln oder sich aber der Konsequenzen und der Langlebigkeit der hinterlassenen Spuren bewusst sein.